Was sich der organisierte Sport mit seinen 2 Millionen Vereinsmitgliedern von der nächsten Bundesregierung erwartet, was das alles mit "Prävention statt Rehabilitation" und einer Sportstättenoffensive zu tun hat und welche Maßnahmen Sport Austria setzt, um die wahlwerbenden Parteien während des Nationalratswahlkampfs mit den Anliegen des Sports zu konfrontieren, wurde im Rahmen eines Medientermins im Österreichischen Journalisten Club von Sport Austria-Präsident Hans Niessl, ASKÖ-Präsident Hermann Krist, ASVÖ-Präsident Christian Purrer und SPORTUNION-Präsident Peter McDonald bekanntgegeben.
Der organisierte Sport hat seit 2019 in einer gemeinsamen Kraftanstrengung viel erreicht.* Trotzdem bleibt noch eine Menge zu tun, um das Sportland Österreich in eine Sportnation zu verwandeln. Sport Austria setzt deshalb im Wahljahr 2024 Maßnahmen, um auf Probleme und Notwendigkeiten aufmerksam zu machen.
Sport Austria-Präsident Hans Niessl: "Ziel muss sein, dass sämtliche staatliche Institutionen und der Großteil der Bevölkerung Investitionen in den Sport als das begreifen, was er ist – ein Turbo für den Gesundheitsmotor. Die Kosten von körperlicher Inaktivität in Österreich betragen aktuell 2,4 Milliarden Euro jährlich (SportsEconAustria)! Das ist nicht zu akzeptieren, weil es ungesund für die Bevölkerung und ungesund für das Budget ist. Die Politik muss Sport und Bewegung als Teil der Prävention noch viel, viel stärker in den Fokus rücken! Prävention statt Rehabilitation muss das Motto werden! Sport und Bewegung müssen als wesentlicher Teil eines positiven Lebenskonzepts wahrgenommen werden. Und dazu brauchen wir den Spitzensport als Vorbild genauso wie den Breitensport für die Umsetzung. Unsere aktuell 9 Punkte fürs nächste Regierungsprogramm schaffen den Rahmen, den es braucht, um das Potenzial des Sports ausschöpfen zu können."
Die 9 Punkte des Österreichischen Sports für das Regierungsprogramm 2024-2029
In weiterer Folge wird Sport Austria die einzelnen Punkte des Programms sukzessive vertiefend vorstellen und bereits Anfang Juni in Zusammenarbeit mit SportsEconAustria die dringende Notwendigkeit der Sportstättenoffensive mit Zahlen, Daten und Fakten bei einem weiteren Medientermin untermauern. Außerdem wird die Interessenvertretung des österreichischen Sports eine Befragung der im Nationalrat vertretenen Parteien zu sportpolitischen Themen durchführen und die Antworten veröffentlichen. Die Ergebnisse der regelmäßigen Mikrozensusbefragung durch die Statistik Austria runden das sportpolitische Sport Austria-Programm ab.
Niessl: "Wir benötigen nachhaltige, energieeffiziente, barrierefreie und natürlich öffentlich zugängliche Sportstätten. Dazu müssen wir bestehende Sportstätten bauen, modernisieren und sanieren, aber auch vorhandene Infrastruktur besser nutzen und zugänglich machen. Nur so können wir das große Potenzial des Sports im Präventionsbereichs ausschöpfen. Und noch etwas: Von den etwa 40 Milliarden, die ins öffentliche Gesundheitswesen fließen, werden nur rund zwei Prozent für Prävention verwendet. Das ist viel zu wenig. In Deutschland sind es immerhin 3,7 Prozent der Gelder. Wenn man diesen Prozentsatz steigert und in Verbindung mit anderen finanziellen Mitteln in Sport und Bewegung investiert, erhöht man die Lebensqualität der Bevölkerung und spart Kosten im Krankheitssystem: Das wäre gelebte Prävention statt Rehabilitation."
ASVÖ-Präsident Christian Purrer: „Wir fordern eine Milliarde für die nächsten fünf Jahre. Das klingt nach einer sehr großen Summe, ist aber der jährliche Abgang der Krankenanstalten in der Steiermark. Unser Ziel ist es, mehr Menschen zu bewegen, dazu müssen wir sie aber auch in unseren Sportstätten unterbringen können. Wir brauchen Hallen, Freiflächen, Hallenbäder. Es gibt große Defizite in den Schwimmkenntnissen, was vielen Menschen jährlich das Leben kostet. Da müssen wir nachlegen. Dass die Anlagen behindertensportgerecht und barrierefrei sein müssen, versteht sich von selbst. Das betrifft natürlich nicht nur neue Sportstätten, sondern auch länger bestehende. Das gleiche gilt für das Thema Nachhaltigkeit. Dazu haben die Dachverbände große Förderprogramme. Wir wollen auch, dass alle Sportstätten an Wochenenden und in den Ferien offen sind. Da ist viel im Einfluss der Gemeinden und der regionalen Schulerhalter. Ich denke, es wäre gut, einen Sportstättenplan zu machen, um die Bedarfsströme österreichweit zu sammeln und die weißen Flecken zu lokalisieren. Ein großer Wunsch ist auch, dass es ein zeitgemäßes Haus des Sports gibt, in dem kleinere Verbände Synergien nutzen und sich vernetzen können.“
ASKÖ-Präsident Hermann Krist: „Zunächst ein großes Dankeschön an den Herrn Sport- und den Herrn Finanzminister. Sie haben entschieden, die Sportförderung auf einen Mindestbeitrag von 120 Millionen zu erhöhen. Das ist natürlich spürbar, aber man könnte auch sagen, dass es nach zehn Jahren an der Zeit war. 120 Millionen geben einen gewissen Spielraum, um etwas im österreichischen Sport zu bewegen. Die Teuerungskrise schlägt aber natürlich auch im Sport in allen Bereichen durch. Deswegen ist eines der Hauptanliegen eine jährliche Valorisierung der Sportfördermittel. Das würde viel abfedern. Schon lange Thema ist auch die Zweckverwendung von staatlichen Steuereinnahmen aus Sportwetten und Glücksspiel. Wieso müssen nur die Lotterien und Casinos Geld abliefern, das dem Sport zu Gute kommt? All die anderen Wettanbieter haben diese Vorgaben nicht. Es gibt auch die Idee, bei der Kommunalsteuer für gemeinnützige Sportvereine etwas zu verändern. Eine Absetzbarkeit von Mitgliedsbeiträgen für Sportvereine kann man ebenfalls überlegen. Tun könnte man auch etwas bei der Umsatzsteuer. Wir haben detaillierte Vorstellungen, die wir gerne einbringen. Es wird spannend, wie die kommende Regierung auf den Sport zugeht und sie unsere Anliegen ernstnimmt. Wir wissen, wie wichtig Bewegung und Sport von Kindheit an bis ins hohe Alter ist, wie wichtig eine vorbeugende, vorsorgliche Medizin ist, wissen, welche Kosten im Gesundheitsbereich aufschlagen. Der Sport könnte ein wesentlicher Unterstützer sein, weniger für Reparatur-Medizin ausgeben zu müssen! Wir stehen bereit, unsere Expertise einzubringen. Man muss uns nur einladen!“
SPORTUNION-Präsident Peter McDonald: „Kinder und Jugendliche lernen durch Sport Werte wie Toleranz oder Teamfähigkeit. Was die Schnittstelle von Gesundheit und Bewegung anbelangt, sieht es aber nicht gut aus. Es ist schon 10 Minuten nach zwölf, nicht fünf vor. Zwei von drei Österreicherinnen und Österreichern bewegen sich nicht ausreichend. Trotz einer steigenden Lebenserwartung haben wir eine rückläufige Gesundheitserwartung. Das ist ein lautes Alarmsignal, die Politik muss tätig werden. Wir haben diesbezüglich in der Vergangenheit schon Druck gemacht – gerade, was die Tägliche Bewegungseinheit in Schulen und Kindergärten betrifft. Diesbezüglich ist auch etwas in Bewegung. Es gibt von der Politik eine Zusicherung, dass die Finanzierung für die nächsten Jahre sichergestellt ist. Wir müssen von Pilotprojekten zu einer Vollausrollung kommen. Diesbezüglich braucht es aber Rechtsicherheit, ansonsten können wir die Strukturen für die Tägliche Bewegungseinheit nicht aufbauen. Daher muss die Bund-Länder-Vereinbarung (§15a-Vereinbarung) schnell unterzeichnet werden. Die Gesundheitsausgaben liegen bei rund 51 Milliarden. Wir müssen versuchen, über weniger kranke Menschen und mehr gesunde Lebensjahre die Finanzierung des Gesundheitswesens auf bessere Beine zu stellen. Die Politik muss mehr in die Vorsorge durch Bewegung und Sport investieren, das würde automatisch eine Reduktion der Kostensteigerungen für das Heilen von Krankheiten bedeuten. Es braucht Anreizsysteme für Voruntersuchungen und Zielerreichungsprogramme, die Bewegung beinhalten, auch um Krankheiten zu vermeiden. Dazu muss man natürlich auch in die Sportstätten investieren – Stichwort Infrastrukturmilliarde. Wir schlagen auch vor, dass ab 2025 keine Schule mehr ohne digitale Buchungs- und Schließungssysteme gebaut wird, um die Sportstätten auch an schulfreien Tagen – und das ist insgesamt die Hälfte des Jahres – zugänglich zu machen. Bis 2030 sollten auch alte Schulen umgerüstet sein. Es braucht auch eine Verwaltungsvereinfachung für die Ehrenamtlichen im Sport, um jene Dienstleitungen weiterhin ermöglichen zu können, die auch für das Gesundheitswesen einen Benefit haben. Zusammengefasst, geht es darum, mehr Kinder in Sportvereine zu bringen, den Österreicher:innen mittelfristig fünf gesunde Lebensjahre im Schnitt mehr zu schenken und so die Kosten im Gesundheitswesen besser in den Griff zu bekommen. Die beste Medizin ist Sport und Bewegung, und sie sollte öfter verschrieben werden.“
*Was der organisierte Sport seit 2019 erreicht hat