2,1 Millionen Menschen waren vor der Coronakrise in Österreichs 15.000 Sportvereinen organisiert. Vom Spitzensport abgesehen, konnten sie ihren Sport in den Vereinen bis jetzt insgesamt ein halbes Jahr nicht ausüben. Die konkrete Ziellinie für den gesamten österreichischen bleibt vorerst ungewiss, wobei die von Sportminister Werner Kogler angekündigten Lockerungsschritte nun in wichtigen Punkten den Konzepten des organisierten Sports folgen - und auch dringend notwendig sind: Inzwischen drohen Tausende SportlerInnen wegzubrechen. Darunter viele Kinder und Jugendliche. Schlecht für den Sport, schlecht für die Gesellschaft. Deshalb setzt sich Sport Austria für ein Hochfahren des organisierten Vereinssports ein, sobald das Infektionsgeschehen auch Schulöffnungen zulässt.
Um Vereinssport endlich wieder ermöglichen zu können, soll der organisierte Sport quasi Teil der staatlichen Teststrategie werden. Neben den strikt einzuhaltenden bestehenden Präventionskonzepten (Hygiene, Abstand, Klein-Gruppen etc.) sollen nun tausende Tests (Antigen-Selbsttests) hinzukommen:
Die dafür nötigen Vereinstests müsste der Staat gratis zur Verfügung stellen. Als Gegenleistung erhielten die Gesundheitsbehörden einen engmaschigen Überblick über das Infektionsgeschehen in Österreich. 15.000 Sportvereine wären somit auch Teststationen. Die Tests müssten auf Freiwilligkeit basieren. Weiters muss die Sportausübung im Sportverein, insbesondere die Ausübung von Sportarten, die kaum ein Infektionsrisiko bergen, wie Sport im Freien, mit entsprechendem Mindestabstand und unter Einhaltung sämtlicher vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen und Präventionskonzepte, unabhängig von zusätzlichen Tests, mit Schulstart wieder erlaubt werden.
„Ich bin froh, dass unser Termin beim Sportminister (Freitag, Anm.) schlussendlich Positives bewirkt hat. Wir sind davon überzeugt, dass diese Teststrategie – kombiniert mit der strikten Einhaltung der Präventionskonzepte der jeweiligen Sportart – möglichst sichere wöchentliche Trainingseinheiten ermöglichen: Tests in Schulen und Vereinen bringen doppelte Sicherheit“, betont Sport Austria-Präsident Hans Niessl und verweist auf die allgemeine Bedeutung von Sport und Bewegung:
"Sport ist nicht das Wichtigste, aber es gibt nichts Wichtigeres als Gesundheit! Deshalb ist es eben dringend notwendig, dass wir nach insgesamt einem halben Jahr Stillstand den Gesundheitsmotor Vereinssport dann wieder schrittweise verantwortungsvoll starten, wenn das Infektionsgeschehen auch den Präsenzunterricht in den Schulen wieder zulässt. Was mich wundert ist, dass der organisierte Vereinssport im Gesundheitsministerium bislang praktisch gar nicht mitgedacht wird. Dabei hängt doch beides zusammen: Wenn Tausende dem Sport verloren gehen, höhlt das unsere vielfältige Sportkultur aus; mit schwerwiegenden Folgen für unser Gesundheitssystem. Schließlich tragen Sport und Bewegung dank ihrer Präventiv-Wirkung dazu bei, dass sich die Republik in Normalzeiten rund 530 Millionen Euro an Krankheitskosten erspart.“
Im Übrigen, so Niessl weiter, hätten Schulen und Sportvereine etwas gemeinsam, was auch eine gleichzeitige Öffnung rechtfertige: „Feste Regeln in einem organisierten Betrieb. Beide können Maßnahmen zur Eindämmung des Virus gut umsetzen und nachverfolgen, was vor allem angesichts der neuen Mutationen wichtig ist. Die für eine Öffnung der Sportvereine nötigen Tests müssten nun aber von der Regierung raschest organisiert und den Vereinen zugestellt werden.“ Letztlich, so Österreichs Sport-Oberhaupt abschließend, sei aber nur die freiwillige Impfung die endgültige Lösung des Corona-Problems.
Nina Burger, Leiterin der Frauensektion des First Vienna FC 1894, bringt die wegen der Lockdowns angespannte Situation der 15.000 heimischen Sportvereine so auf den Punkt: „Bei uns auf der Hohen Warte brennen Hunderte – vorwiegend Kinder und Jugendliche – sowie deren Trainerinnen und Trainer, Funktionärinnen, Funktionäre und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer darauf, ihrer Fußball-Leidenschaft wieder nachgehen zu können. Gerade für sie, aber auch für alle Vereine, braucht es schnellstmöglich klare, konkrete Perspektiven, wie es nach dem Lockdown weitergehen kann. Wir treten für die schrittweise Wiederaufnahme des Trainings- und Spielbetriebs – unter den gebotenen Sicherheitsauflagen und gekoppelt an die Öffnung der Schulen – ein, um weiteren Schaden an der Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen zu vermeiden.“
Die allgemeine Lage des heimischen Vereinssports erklärt Michael Eschlböck, als Sport Austria-Vizepräsident auch gewählter Vertreter der Sport-Fachverbände: „Der Sport hat bereits bewiesen, dass er mit der Situation und der damit einhergehenden Verantwortung sorgsam und professionell umgeht. Schon im Frühjahr 2020 wurden detaillierte Präventionskonzepte ausgearbeitet, die die Gruppengrößen im Training definiert haben, die Abstandsregeln berücksichtigten, die Nutzung der Garderoben streng regelten und auch auf das gestaffelte Betreten und Verlassen der Sportstätten Rücksicht nahmen. Es sind den Verbänden keine auf unmittelbare Sportausübung zurückzuführende Cluster bekannt! Bewegung ist die Grundlage für psychische und physische Gesundheit. Zwei Faktoren, die wir gerade jetzt in diesen trüben und schwierigen Tagen brauchen. Der organisierte Sport in Österreich ist nicht Vertreter eigener Interessen oder Bittsteller, sondern vielmehr ein verlässlicher und gut organisierter Partner für die Bewältigung der Pandemie. Und damit der organisierte Sport Österreich unter Einhaltung geeigneter Rahmenbedingungen bewegen kann, muss sich die Politik endlich bewegen – und mit der Öffnung der Schulen auch ein damit einhergehendes stufenweises Hochfahren der organisierten Sportausübung ermöglichen.“
Der Stillstand des Vereinssports und die damit verbundene geringere, regelmäßige Bewegung der Bevölkerung hat freilich nicht nur auf die Vereine negative Auswirkungen, sondern spielt auch in anderen Bereichen eine wichtige Rolle: Überfüllte Kinder- und Jugend-Psychiatrien, InternistInnen, die vor zu hohem Blutzucker und Bluthochdruck warnen und ArbeitnehmerInnen, die im Homeoffice über Erschöpfung, Kopf- und Rückenschmerzen klagen: Die auf mangelnde Bewegung und auf reduzierten Sozial-Kontakt zurückzuführenden gesundheitlichen Kollateralschäden der Lockdowns sind enorm und werden Tag für Tag größer.
Public Health-Experte Prof. Hans-Peter Hutter von der Med.Uni. Wien: „Es geht selbstverständlich, und das gehört deutlich gesagt, nicht darum Maßnahmen, die zur Reduktion der Epidemie gesetzt wurden, zu bekritteln. Wir wissen alle, dass diese notwendig sind. Wichtig ist aber den Blick nicht nur auf der Epidemie zu haben, sondern auch auf die Begleiterkrankungen, die aufgrund des Lockdowns schon eingetreten sind und noch eintreten werden. Mit Bewegungsmangel stehen nämlich viele Folgen in Beziehung. Es geht um die mentale Gesundheit. Kindern und Jugendlichen geht es schlechter, wenn soziale Kontakte wegfallen. Die Meldungen über überfüllte Kinderpsychiatrie-Stationen sind beängstigend. Es zeigt sich in Österreich wie international, dass sich Verhaltensweisen, die wir in Bezug auf Bewegungsmangel und Inaktivität schon vorher als negativ betrachtet haben, verstärken. Es gilt einerseits die Epidemie zu bekämpfen, aber andererseits auch die Kollateralschäden der Lockdowns in den Griff zu bekommen. Das ist möglich unter Anwendung des großen Werkzeugkoffers, den wir bereits haben. Es gab schon im Sommer 2020 einen entsprechenden Leitfaden, wie man Vereinssport unter Einhaltung strikter Hygiene- und Präventionskonzepte betreiben kann. Die Epidemie befindet sich jetzt in einem sehr stabilen Bereich, das bedeutet, dass wir definitiv Öffnungsschritte andenken müssen. Es braucht nicht nur Raum für Bildung und sozialen Kontakt in den Schulen, sondern auch die Öffnung von Bewegungsräumen. Nachwuchssport sollte gleichzeitig mit der Schulöffnung wieder möglich werden. Wenn Kinder aus ihrem Bewegungsmuster einmal herausfallen, eine Gewohnheit einmal verloren geht, ist es extrem schwierig diese wieder zu erlangen. Wir müssen dem jetzt entgegenwirkt, anderenfalls wird es in den kommenden Jahrzehnten volksgesundheitliche Probleme geben. Die Kinder und Jugendlichen gehören raus aus ihrem Bewegungs-Lockdown, aus ihrem sozialen Lockdown. Kombiniert mit den leicht zu handhabenden Antigen-Schnelltests ist ein verantwortungsvolles Hochfahren des Vereinssport absolut möglich. Es gibt kein Medikament, das Bewegung ebenbürtig ist!“
Wie dringend das wäre, hat die im Dezember von Sport Austria präsentierte Studie "aktives Sportverhalten und passiver Sportkonsum" der OBSERVER Brand Intelligence GmbH gezeigt: Demnach hat sich die sportliche Aktivität während der Coronakrise über alle Altersgruppen hinweg verschlechtert. Im Beobachtungszeitraum (Oktober 2020 noch vor dem 2. Lockdown!) haben knapp ein Drittel der Befragten (28 %) weniger Sport betrieben als zuvor! Das Sport- und Freizeitverhalten hat sich also durch Lockdown-Erfahrungen und die weiteren tatsächlichen und empfundenen Einschränkungen massiv verändert.
Hans Niessl: „Dieser Entwicklung müssen wir entschieden entgegentreten! Es geht um die Balance und einen guten Maßnahmen-Mix, um einerseits den 15.000 Vereinen mit ihren 2 Millionen Mitgliedern wieder Perspektiven zu geben und andererseits das Infektionsrisiko auf ein Minimum zu reduzieren. Wir haben heute Schilderungen aus der Praxis gehört und wir haben einen Experten aus der Wissenschaft gehört, der uns erklärt hat, warum wir den Vereinssport auch in Hinblick auf gesundheitliche Kollateralschäden unbedingt rasch hochfahren müssen. Also machen wir es auch! Und zwar am besten dann, wenn auch die Schulen öffnen!“
Hochfahren des organisierten Vereinssports:
Wirtschaftliche Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Österreichs Sport
Rückläufige Wertschöpfung! (Quelle SPORTUNION/SportsEconAustria):
Mit einem Wertschöpfungs-Minus von mindestens 30 Prozent im Jahr 2020 war der durch das Corona-Virus verursachte Schaden in der Sportwirtschaft knapp viermal höher als in der Gesamtwirtschaft. Insgesamt stehen rund 90.000 Arbeitsplätze (indirekt rund 300.000) im gesamten Netzwerk Sport auf dem Spiel. Für 3 von 4 Vereinen spiegelt sich die Pandemie in reduzierten Einnahmen wider, für mehr als jeden zweiten Verein bedeutet das, dass auch die Ausgaben unmittelbar reduziert werden müssen. Insgesamt wird der Schaden – allein bei den Vereinen – bei mindestens 175 Mio. Euro liegen.
Was für ein starkes Sport-Comeback nötig ist:
Was der organisierte Sport in der Coronakrise bislang erreicht hat:
Warum dem Sport bis zum Ende der Coronakrise geholfen werden muss:
Typische Schäden, die während der Corona-Krise in Sportvereinen auftreten:
Weitere Informationen zum Coronavirus sowie Fragen & Antworten finden Sie auf unserer Website: https://www.sportaustria.at/corona