Am Tag nach der Generalversammlung stellten Sport Austria-Präsident Hans Niessl, Vizepräsident für Leistungs- und Spitzensport Thomas Reichenauer sowie Vizepräsident für Breitensport Peter McDonald das Sport Austria-Programm für die nächste Funktionsperiode (5 Jahre) vor und adressierten dieses auch an die nächste Bundesregierung. Dabei wurde auch die Forderung nach einem Paradigmenwechsel erhoben: weg vom klassischen Fördersystem, hin zur Leistungsvereinbarung.
Sport Austria zeigte dabei auf, dass Österreichs Sport ein großer Dienstleister an der Gesellschaft ist – und kein Bittsteller: Er leistet mit 24,1 Milliarden Euro an Wertschöpfung und 357.000 Arbeitsplätzen (alle Zahlen SportsEconAustria, Anm.) bereits jetzt einen großen Beitrag für die österreichische Volkswirtschaft. Zudem trägt er 8 Milliarden Euro an Steuern- und Abgabenaufkommen bei und erspart dem Gesundheitssystem – schon beim aktuellen Aktivitätslevel – 530 Millionen Euro jährlich. Der präventive Beitrag und damit die Einsparungen könnten aber wesentlich größer sein. Aktuell stellt die körperliche Inaktivität in Österreich bereits ein Wohlstandsrisiko dar. Die daraus resultierenden jährlichen Kosten betragen inzwischen 2,4 Mrd. Euro! Würde man die Strukturen des organisierten Sports gezielter und stärker für die Umsetzung von Bewegungsprogrammen einsetzen, könnte man diesen Betrag wesentlich reduzieren und damit zur Entlastung des Gesundheitssystems beitragen.
Der organisierte Sport hat in der abgelaufenen Gesetzgebungsperiode mithilfe der dafür nötigen politischen Entscheidungsträger:innen in einer sehr schwierigen Zeit mit Corona und Teuerungskrise einiges erreicht, um aber aus dem Sportland Österreich in den kommenden fünf Jahren tatsächlich eine Sportnation zu machen, braucht es freilich noch mehr: im Bereich des Spitzensports mit seiner so wichtigen Vorbildfunktion genauso wie in den Bereichen Breiten- und Gesundheitssport. Fest steht, dass Österreich eine Sportstättenoffensive – auch als Grundlage für mehr Bewegungs-Prävention – ebenso benötigen wie eine finanzielle Absicherung des Sports im Kampf gegen die Teuerung sowie eine Entbürokratisierung, damit vor allem die rund 570.000 Ehrenamtlichen freigespielt werden für ihre eigentlichen Aufgaben im Sport. Es braucht ein Umdenken, das weg von Förderungen und hin zu Leistungsvereinbarungen führt: Ein Dienstleister erbringt Leistungen und wird dafür auch angemessen bezahlt. Darüber braucht es einen breiten Diskurs. Um es auf den Punkt zu bringen: Der Sport ist kein Bittsteller, er ist Dienstleister, sei es im Gesundheitssystem, sei es in der Wirtschaft, sei es in der Integration, sei es in der Inklusion etc.
Generell erwartet der organisierte Sport von der nächsten Bundesregierung, egal in welcher Besetzung, bessere Rahmenbedingungen für seine Sportler:innen sowie die Umsetzung bzw. Fortführung bereits bestehender Projekte wie es die Tägliche Bewegungseinheit ist. Dazu wurde von Sport Austria und den Dach- und Fachverbänden ein 9-Punkte-Programm ausgearbeitet, das den Parteien bereits im Vorfeld der Nationalratswahlen übermittelt wurde. Dabei konnten überraschend viele Übereinstimmungen festgestellt werden.
Sport Austria-Präsident Hans Niessl: „Die gestrige Generalversammlung war von einer großen Geschlossenheit und einem Miteinander gekennzeichnet. Es wird sehr viel in den Medien über die Wirtschaftssituation berichtet, darüber, ob es ein Sparpaket geben wird oder nicht, ist es wichtig, die wirtschaftliche Bedeutung des Sports hervorzuheben. Wenn man in den Sport investiert, wird einerseits die Krise bekämpft und andererseits für die Österreicher:innen die Möglichkeit geschaffen, mehr Sport zu betreiben. Mit den Vertretern der kommenden Bundesregierung wollen wir verhandeln, wie die Voraussetzungen für den Sport verbessert werden können. Die kommenden fünf Jahre sollen dazu verwendet werden, uns von einem Sportland zu einer Sportnation weiterzuentwickeln. Ganz wichtig ist unser 9-Punkte-Programm mit Sportinfrastruktur, mehr Prävention statt Rehabilitation, Anhebung des Stellenwerts des Sports und vielen anderen Bereichen. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel weg vom Fördersystem hin zu einer Leistungsvereinbarung. Als Bittsteller zu gelten, ist aus meiner Sicht kein tragbarer Zustand. Ich hoffe, dass es die zuständige Politik in Zukunft ähnlich sieht. In den nächsten Wochen wird es eine Arbeitsgruppe geben, die sich mit dem Thema ‚Leistungsvereinbarung' befasst. Mit dem Ergebnis wollen wir den Sportminister der kommenden Bundesregierung konfrontieren. Was die Tägliche Bewegungseinheit betrifft, gab es schon einstimmige Nationalratsbeschlüsse. Auch die Sportsprecher aller Parteien haben sich zur Täglichen Bewegungseinheit bekannt. Ich erwarte mir - wie angedacht - eine schrittweise weitere Ausrollung der Täglichen Bewegungseinheit. Gesundheitserziehung sollte nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Wir haben ein sehr motiviertes Präsidium mit den Vertretern des Spitzen- und Breitensports, wollen erfolgreich für die Sportlerinnen und Sportler in Österreich tätig sein."
Sport Austria-Vizepräsident für Leistungs- und Spitzensport Thomas Reichenauer: „Das Thema Sportstätten ist ein virulentes. Ich war vor einigen Tagen beim Ringsport-Weltkongress in Tirana. Wenn ich die dortigen Sportstätten mit unseren - z.B. im Kampfsport - vergleiche, sind das ganz andere Voraussetzungen. Wir sind hier einfach nicht auf europäischem Niveau. Bei den Investitionen in die Infrastruktur liegen wir in Europa auf dem 22. Platz. Da passiert viel zu wenig und aus meiner Sicht auch unkoordiniert. Es wäre sinnvoll, einen langfristigen Plan zu haben, wirklich einmal zu sagen, wo die Reise hingeht, worauf fokussiert man sich. Wie kann ich Sportstätten schaffen, die nicht nur für eine Sportart von Relevanz sind, wo eine gemeinsame Nutzung gegeben ist? Auch das berufliche Umfeld, in dem sich Spitzensportler:innen bewegen, ist ein ganz wichtiger Punkt. Es gibt tolle Initiativen, aber es einen großen Bereich, der bis jetzt nicht wirklich angegangen wurde, nämlich Spitzensportler:innen in privaten Unternehmen Möglichkeiten für eine Anstellung zu geben. Da gibt es eigentliche keine Modelle wie beispielsweise bei Polizei, Zoll oder Bundesheer. Wir müssen Klarheit schaffen, welche Möglichkeiten es gibt. Österreich hat im Vergleich mit anderen Ländern auch wenig Großveranstaltungen. In Paris waren vor den Olympischen Spiele viele skeptisch, jetzt sind aber alle sehr stolz, wie es gelaufen ist. Wir haben bald eine Ski-WM. Ich denke, man sollte auch in anderen Sportarten wieder Großveranstaltungen durchzuführen, das kann ein Boost sein, Sportstätten, die ganze Infrastruktur zu verbessern.
Sport Austria-Vizepräsident für Breitensport Peter McDonald: "Österreich ist ein Sportvereinsland, 15.000 Vereine und eine halbe Million Ehrenamtliche, die sie am Laufen halten. Wenn man durchrechnet sind es im Schnitt 8 Sportvereine pro Gemeinde. Das ist eine Struktur, um die wir europaweit beneidet werden. Bewegung und Sport ist eine sehr adäquate Antwort auf sehr viele Fragen und Herausforderungen in Bereichen wie Integration, Spaltung der Gesellschaft, psychische und physischen Gesundheit oder Überlastung des Gesundheitswesens. Ein Sportverein ist nicht nur ein Ort, wo Sport ausgeübt wird, sondern viel mehr, die beste Lebensschule für unsere Kinder, eine soziale Einrichtung, eine Einrichtung des Zusammenhalts. Deswegen müssen wir alles tun, um unsere Sportvereins-Landschaft und Bewegung in Österreich zu fördern. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Sport nicht nur gesünder macht, sondern auch schlauer. Die Lebenserwartung in Österreich ist sehr hoch, während unsere Gesundheitserwartung unterdurchschnittlich ist. Wir schenken gesunde Jahre her. Sport und Bewegung wirkt in alle Lebensbereiche hinein, muss eine Top-Priorität für die politisch Handelnden sein. Es braucht einen nationalen Aktionsplan. Es müssen zwei Ziele ganz oben stehen: Wir haben jedes zweite Kind in einem Sportverein, warum sollen es in Zukunft nicht zwei von drei sein? Eine Verdoppelung der freizugänglichen Sportflächen, eine bessere Auslastung der Schulsportstätten. Diese sind häufig an 180 von 365 Tagen im Jahr geschlossen. Hier muss vom Bildungsministerium eine Maßnahme gesetzt werden, die klar sagt, wir wollen bis 2030 verpflichtende, digitale Buchungssysteme und Zutrittssysteme für Turnsäle. So können wir einen Boost für den österreichischen Sport erreichen."