Sport Austria - Interessenvertretung und Serviceorganisation des organisierten
Sports in Österreich.

Wie aus dem Sportland Österreich eine Sportnation werden kann

Der organisierte Sport hat seit 2019 in einer gemeinsamen Kraftanstrengung viel erreicht wie die historische Erhöhung der Besonderen Bundes-Sportförderung von 80 auf 120 Millionen Euro und die erst kürzlich vom Finanzministerium verkündete Erweiterung des Zollsportkaders um Sportler:innen aus Sommersportarten. Erstmals seit Bestehen des Kaders werden neben den traditionellen Wintersportarten auch Athlet:innen in den Bereichen Judo, Ringen, Schwimmen und Sportschießen aufgenommen. Trotzdem bleibt freilich noch eine Menge zu tun, um das Sportland Österreich – der Wertschöpfungseffekt der Ehrenamtlichen liegt bei sagenhaften 2,1 Mrd. Euro – in eine Sportnation nach internationalen Standards zu verwandeln. Eine Kernforderung von Sport Austria: 1 Mrd. Euro für eine Sportstätten-Offensive.

Hier findest du die Präsentation zur Pressekonferenz mit allen Zahlen

Im Wahljahr 2024 macht die Bundes-Sportorganisation Sport Austria deshalb besonders stark auf Probleme und Notwendigkeiten im Bereich des Spitzen-, Breiten- und Gesundheitssports aufmerksam. Was braucht es, damit Österreichs Sport nicht den Anschluss verliert, sondern Oberwasser bekommt? Und was hat die österreichische Bevölkerung davon?

Diese Fragen wurden in der olympischen Goldmedaillen-Schmiede des Österreichischen Segelverbands im Rahmen des letzten Sport Austria-Medientermins vor der Nationalratswahl im OeSV-Bundesleistungszentrum Segeln und Surfen von Sport Austria-Präsident Hans Niessl, SportsEconAustria-Ökonomin Katharina Diernberger, Segelverbands-Präsident Dieter Schneider sowie Segelverbands-Sportdirektor Matthias Schmid erörtert.

"Goldschmiede" als Paradebeispiel

Das OesV-Bundesleistungszentrum in Neusiedl am See ist wohl das Paradebeispiel für eine gute Investition in den Sport, quasi eine Goldmedaillen-Schmiede, wie zuletzt auch bei den Olympischen Spielen in Paris zu sehen war, als Lara Vadlau und Lukas Mähr sowie Valentin Bontus jeweils Gold für Österreich geholt hatten.

Was man daraus für den gesamten österreichischen Sport ableiten kann?
Segelverbands-Präsident Dieter Schneider: „Keine Frage: Eine professionelle Infrastruktur ist die Grundlage für spätere Erfolge. Segeln im weitesten Sinne ist zudem ein sehr komplexer, vielfältiger Sport mit vielen Aspekten, die eine Rolle spielen wie Bootstechnik, Meteorologie, körperlicher Fitness und vielem mehr. Ohne zeitgemäße Infrastruktur gibt es keinen Erfolg, ohne Erfolg gibt es keine Vorbilder für die Breite, ohne Breite gibt es keine Spitze."

Führen Goldmedaillen dazu, dass mehr Junge zum Segelsport kommen, merkt man diesbezüglich bereits etwas?
Dieter Schneider: „Nach den Spielen habe ich allgemein sehr viel positives und motivierendes Feedback bekommen. Mittelfristig tragen die Goldmedaillen sicher dazu bei, unseren Sport noch attraktiver zu machen, junge Menschen zu begeistern. Der Erfolg liegt meines Erachtens aber in den verschiedenen, niederschwelligen Zugangsmöglichkeiten, damit meine ich Kooperationen mit Schulen, Segelschulen, aber auch die Öffnung unserer Clubs und vieles mehr. Auch hier gilt: Aus einer großen Breite von Interessierten ergibt sich am Ende eine größere Spitze für den Leistungs- und Profisport."

Was konkret wird im Leistungszentrum gemacht, wie sieht eine professionelle Vorbereitung auf Großereignisse wie Olympia aus?
Matthias Schmid (2016 in Rio selbst noch Olympia-Teilnehmer), Sportdirektor des Segelverbands: „Das Segel-Leistungszentrum hier in Neusiedl am See ist die Heimat der Segel-Nationalmannschaft. Das Leistungszentrum wurde - und wird auch weiterhin - kontinuierlich weiterentwickelt und adaptiert. Der Segelsport verändert sich rasant, und so müssen es auch die Strukturen und Infrastrukturen der Sportsysteme. Besonders wichtig ist für uns, ALLES, was in einer Olympiakampagne relevant ist, an einem Ort zu haben. Dabei spielt - und das mag vielleicht überraschend sein - das Segeln am Wasser direkt hier am See nur eine kleine Rolle. Entscheidender ist der ganzheitliche Ansatz. Technologie, Logistik, Service, Organisation, Sportwissenschaft, Meteorologie, Regeneration, Ruhe, Analysen....alles an einem Ort. Besonders hervorzuheben ist, dass es in diesem Setup möglich ist, die gesamten Strukturen rund um die Notwendigkeiten des Spitzensports zu bauen, und nicht den Sport an die Strukturen anzupassen. Denn um zu gewinnen, muss man tun was notwendig ist, und nicht was möglich ist."

Sport Austria-Präsident Hans Niessl betont: „Eine Sportinfrastruktur wie hier in Neusiedl am See ist ein Paradebeispiel dafür, was eine moderne Infrastruktur auslösen kann: Erfolg in Spitze und Breite. Bei vielen Sportarten besteht in Österreich diesbezüglich noch dringender Handlungsbedarf. Ballsportarten brauchen moderne Hallen, die Gemeinden und der Schwimmsport benötigen Hallenbäder, um nur einige Beispiele zu nennen. Wir brauchen einfach moderne Grundlagen für den Spitzen- und Breitensport. Das ist im öffentlichen Interesse und genau deshalb benötigt es auch Investition seitens der öffentlichen Hand. Setzt die nächste Bundesregierung unsere 9 Punkte (www.sportaustria.at/forderungskatalog) um, würde sie damit den Sport beflügeln und dazu beitragen, dass er seine gesellschaftspolitische Aufgabe noch besser erfüllen kann:

Wir benötigen jedenfalls

  • eine Milliarde Euro für moderne Sportstätten als Grundlage der  Sportausübung,
  • ganzjährig geöffnete Schulsportstätten für den Vereinssport,
  • eine Absicherung der Sportförderung und eine Zweckwidmung der Einnahmen des Staates aus Sportwetten für den Sport,
  • eine Stärkung des Ehrenamts und dabei eine Entbürokratisierung durch Digitalisierung,
  • die plangemäße weitere Ausrollung der Täglichen Bewegungseinheit."

Und warum all das?
Niessl: „Sport ist kein Selbstzweck! Wenn sich mehr Menschen bewegen, reduzieren wir die aktuellen Kosten der Inaktivität von derzeit 2,4 Mrd. Euro jährlich, wenn sich mehr Menschen bewegen, haben mehr Menschen mehr gesunde Jahre vor sich, entlasten wir unser Gesundheitssystem, das ja aktuell eigentlich Krankheitssystem heißen sollte. Anders gesagt: Wer dem Staat Geld sparen möchte, muss in Sport und Bewegung, muss in Spitzen- und Breitensport investieren. Politik muss dazu da sein, das Leben der Menschen zu verbessern, muss die nötigen Grundlagen dafür schaffen: Sport und Bewegung führen zu Wohlbefinden und Gesundheit und sollten immer Teil eines positiven Lebenskonzepts sein. Das müssen wir als Interessenvertretung aber natürlich auch die Politik den Menschen vor Augen führen."

Welche wesentliche Rolle der Sport für die österreichische Gesellschaft hat, zeigte SportsEconAustria-Ökonomin Katharina Diernberger im Rahmen des Medientermins auf (Präsentation anbei): „Es sind zwar laut eigenen Angaben knapp zwei Drittel (64,3%) der Bevölkerung in ihrer Freizeit sportlich aktiv, die Daten zeigen jedoch deutliche Unterschiede in der Aktivität je nach Alter und Geschlecht. Alarmierend ist die deutlich fallende Tendenz mit steigendem Lebensalter. Mehr Bewegung in der Schule legt erwiesenermaßen den Grundstein für mehr Bewegung im Verlauf des Lebens. Dies ist essenziell, um die Kosten, die dem österreichischen System bedingt durch körperliche Inaktivität entstehen (mindestens 2,4 Mrd. Euro jährlich), zu senken.

Zudem würden viele weitere Bereiche profitieren. So können durch die Sportpartizipation erwiesenermaßen berufliche und soziale Kompetenzen gestärkt werden. Weiter positive Auswirkungen sind ein gesteigertes Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen sowie eine erhöhte Toleranz, die sich durch die Möglichkeit, mit anderen Meinungen (Alter, Kultur, sozialer Status) in Kontakt zu kommen, ergibt. Empirisch nachgewiesen ist zudem, dass das Einkommen von sportlich Aktiven durchschnittlich höher ist und die Kriminalität sinkt – um nur einige Beispiele zu nennen. Im Zentrum davon stehen die Sportvereine und deren ehrenamtliche Beschäftigte. Letzteren ist ein totaler Wertschöpfungseffekt von knapp 2,1 Mrd. Euro zurechenbar! Für die tägliche Arbeit der Vereine ist eine entsprechend ausgebaute Sportinfrastruktur notwendig, die, wenn sie gut erreichbar und ansprechend gestaltet ist, auch dem Trend der schrumpfenden Sportpartizipation entgegenwirken kann."

Sportinfrastruktur hinkt hinterher

Fakt ist: Österreichs Sportinfrastruktur, die Grundlage jeglicher Sportausübung, hinkt in vielen Bereichen internationalen Entwicklungen und Standards hinterher. Die Kernaussagen einer SportsEconAustria-Analyse: Österreich hat, was Investitionen in seine Sportinfrastruktur betrifft, im europäischen Vergleich starken Aufholbedarf! Aktuell investiert Rotweißrot jährlich nur 0,3% seines Bruttoinlandsprodukts in die Sportstätteninfrastruktur ("Freizeitgestaltung und Sport", Anm.) und liegt damit lediglich auf Rang 22 von 30 untersuchten Ländern (EU und EFTA, Anm.). Klar in Führung das in Relation zu seiner Einwohnerzahl erfolgsverwöhnte Island mit rund 1,5%.

Die Bundes-Sportorganisation Sport Austria als gesetzlich verankerte Interessenvertretung des österreichischen Sports (Spitzen- wie Breitensport)  setzt deshalb im Wahljahr 2024 verstärkt Maßnahmen, um auf Probleme und Notwendigkeiten des Sports aufmerksam zu machen. Der bereits erwähnte 9 Punkte umfassende Forderungskatalog des Sports (www.sportaustria.at/forderungskatalog) beinhaltet wesentliche Bereiche, in denen in den nächsten Jahren vorrangig Handlungsbedarf besteht und die deshalb in einem nächsten Regierungsprogramm stehen sollten.  Mit diesen Forderungen hat Sport Austria auch die wahlwerbenden Parteien konfrontiert. Die Antworten der wahlwerbenden Parteien auf die Problemstellungen des Sports wurden hier zusammengefasst: www.sportaustria.at/parteienbefragung24

Was "Sport" bereits jetzt kann

Die Sportbranche leistet bereits unter den aktuellen Rahmenbedingungen mit 24,1 Milliarden Euro an Wertschöpfung und 357.000 Arbeitsplätzen einen schier unglaublichen Beitrag für die österreichische Volkswirtschaft. Zudem trägt sie 8 Milliarden Euro an Steuern- und Abgabenaufkommen bei und erspart dem Gesundheitssystem - beim aktuellen Aktivitätsniveau - 530 Millionen Euro jährlich. Der präventive Beitrag und damit die Einsparungen könnten aber wesentlich größer sein, würden die Rahmenbedingungen verbessert werden...