Früh und durch Zufall. So entdeckte Jessica Pilz ihre Leidenschaft für das Klettern. Im Sommer 2005 wusste die damals achtjährige Niederösterreicherin nicht, welches Ferienprogramm für sie passen würde. Die Wahl fiel auf den Kletterkurs im Ferienprogramm der Stadt Haag, und nach den ersten Metern in der Vertikalen war es um Pilz geschehen. Das Kletterfieber hatte sie gepackt. Eine gute Entscheidung, wie sich zeigen sollte. Inzwischen ist die Heeressportlerin Weltmeisterin und Olympia-Starterin. Aber der Reihe nach.
Einen Monat, nachdem sie mit dem Klettern begonnen hatte, nahm Pilz an einem lokalen Wettbewerb teil. Ganz ohne Ziele und eigentlich nur, weil die Sporthalle, in der dieser stattfand, nicht weit entfernt lag und ihr Trainer meinte, dass sie es aus Spaß ruhig versuchen könne. Pilz verspürte absolut keinen Druck und kletterte die Wand hoch, soweit sie eben konnte. Und machte ihre Sache auf Anhieb außerordentlich gut. Ziemlich bald danach begann sie, an nationalen Bewerben teilzunehmen.
Nach Seriensiegen in den diversen Nachwuchsklassen auf nationaler Ebene folgte 2011 bei der Jugend- & Juniorenweltmeisterschaft in Imst mit dem Jugendweltmeistertitel im Vorstieg (U16) der erste große internationale Erfolg. 2012 und 2013 verteidigte Pilz ihre Jugend-Weltmeistertitel jeweils erfolgreich. 2014 folgte dann auch im Bouldern mit Junioren-EM-Gold der erste große internationale Erfolg, bevor 2015 der Durchbruch in der allgemeinen Klasse gelang: Europameistertitel in der Kombination, Bronze bei der Vorstieg-EM in Chamonix sowie Platz drei im Vorstieg-Gesamtweltcup.
Die ganz große Krönung erfolgte 2018. Bei der Heim-WM in Innsbruck, wo Pilz aus Trainingsgründen inzwischen beheimatet ist, sicherte sie sich im Vorstieg die Goldmedaille. Weltmeisterin im Alter von nur 22 Jahren. Zudem Bronze in der olympischen Kombination, womit sie in den Favoritenkreis für die Olympia-Premiere ihrer Sportart in Tokio aufstieg.
Ihre Motivation? „Ich klettere einfach extrem gerne, darum fällt mir das Training eigentlich immer leicht. Es ist unglaublich lässig, dieses Gefühl, das ich beim Klettern habe, zu verspüren.“
Beim Klettern verschmelzen oft die Bereiche Wettkampfklettern an der Wand (Sportklettern) und Felsklettern bzw. Alpinismus. Diese Gefahr besteht bei Pilz nicht. Zwar klettert sie in der Freizeit „gerne am Felsen, am liebsten in Oliana in Spanien.“ Aber: „Eine richtige Bergtour – so etwas Alpines, Gefährliches – habe ich noch nie gemacht.“
Was Pilz auszeichnet, ist ihre Nervenstärke. Das bewies sie bei der Heim-WM in Innsbruck, als sie sich die Goldmedaille mit 11 Sekunden Vorsprung auf die slowenische Dominatorin Janja Garnbret sicherte: „Das ist mir erst durch die Wettkämpfe bewusst geworden. Ich habe da mehr zeigen können als im Training. Und bessere Leistungen gebracht. Die Nervosität hat sich nicht negativ ausgewirkt bei mir, sondern eher positiv.“
Mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen erfüllte sich die Niederösterreicherin einen Lebenstraum. Für eine Medaille sollte es knapp nicht reichen, ein einziger Griff fehlte am Ende auf Edelmetall. Die Medaille bei einem internationalen Multisport-Event will sie sich bei den World Games in Alabama 2022 holen: „Ich bin gespannt, wer aller dabei ist – aber ich gehe davon aus, dass die Konkurrenz stark ist. Im Vorstieg kann ich sagen, dass ich jederzeit für einen Spitzenplatz gut bin.“